Das Aprilmädchen geht seit Mitte August in die Kita. Ihre Eingewöhnung ist mittlerweile abgeschlossen, aber man merkt, dass sie sich immer noch an den neuen und anstrengenden Kita-Alltag gewöhnen muss.

Manchmal schon auf dem Nachhauseweg, spätestens wenn wir zu Hause sind, kann sie oft gar nicht anders: die Anspannung, das Angepasstsein-Müssen und die Anstrengung und die damit verbundene Müdigkeit müssen aus ihr heraus und sie schreit und weint, bis es ihr wieder besser geht. Am Anfang ist sie danach manchmal vor Erschöpfung eingeschlafen, jetzt ist sie meist einfach abreagiert und kann im Anschluss fröhlich spielen, sobald sie ihre Gefühle fertig verarbeitet hat.

Gefühle als Tabu-Thema?

Gefühle sind für mich ein Thema, das mir bei meinen Kindern manchmal schwer fällt, zu erklären, was Gefühle bedeuten und welche Gefühle wir gerade in uns fühlen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich nicht erinnern kann, ein solches Gespräch jemals mit einem Erwachsenen in meiner eigenen Kindheit geführt zu haben. Diejenigen von uns, die in den 1980er/1990er aufgewachsen sind wie ich, haben sich als Kinder ja meist mehr damit beschäftigt, Gefühle zu verdrängen, als zu lernen, diese wahrzunehmen und zu verarbeiten oder damit umzugehen.

Wir leben nach wie vor in einer Gesellschaft, in der vorwiegend positive Gefühle „erlaubt“ sind bzw. in der der Konsum bestimmter Produkte oder Ablenkungen versucht, uns dazu zu bringen, uns besser zu fühlen, da negative oder heftige Gefühle oft als „falsch“ verpönt sind. Und ganz ehrlich: ein schreiendes wütendes Kind auszuhalten (besonders in der Öffentlichkeit!), bringt uns als Eltern doch oft gefühlsmäßig selbst an unsere Grenzen. Zumindest geht das mir oft noch so, auch wenn ich versuche gelassen zu bleiben.

Gefühle benennen und co-regulieren (lernen)

Nichtsdestotrotz ist es natürlich wichtig, Kindern Gefühle näher zu bringen, damit sie lernen können, ihre Gefühle besser einzuschätzen und wenn sie älter werden auch regulieren zu können. Das Begleiten und Ausleben von Gefühlen kann daher auch für uns Erwachsene durchaus anstrengend sein – besonders dann, wenn wir das in unserer Kindheit selbst anders erlebt haben und alleine lernen mussten, uns selbst zu regulieren. Oftmals fühlen wir uns dabei auch hilflos, weil wir wenig tun können, um unserem Kind aus seinen Gefühlen zu verhelfen – oder wir sind peinlich berührt, wenn das Kind gerade in der Öffentlichkeit einen Wutanfall hat.

Liebe, Zuneigung, Freude oder Mut sind positiv besetzte Gefühle, mit denen wir in der Regel gut umgehen können. Bei Traurigkeit, Wut, Enttäuschung, Angst oder Eifersucht fällt uns das meist wesentlich schwerer.

Babys und Kleinkinder können diese Gefühle noch nicht selbst verarbeiten, sie brauchen dabei unsere Hilfe. Der Satz „Jetzt beruhig dich mal“ ist bei einem aufgeregten, wütenden und schreienden Kleinkind fehl am Platz, es hat schlicht und einfach noch sehr begrenzte Fähigkeiten zur Selbstregulation und benötigt unsere Co-Regulation.

Wie können wir als Erwachsene Kleinkindern und Babys in solchen Situationen helfen?

Gefühle aushalten und spiegeln

Zum Beispiel, indem wir die Situation und die Gefühle spiegeln: „du bist wütend / hungrig / müde / hast dir weh getan /…“ Und keine Sorgen, ob unsere „erwachsene“ Einschätzung der Situation richtig ist, wird uns das Kleinkind das mitteilen – entweder durch noch lauteres Schreien / Abwehrhaltung oder durch Zustimmung. Gleichzeitig können wir den Kindern Trost bieten und ihre Gefühle annehmen: „Ich bin bei dir und passe auf dich auf. Es ist okay, wenn du weinst / wütend / traurig / ängstlich bist“.

Dabei sollten stets alle Gefühle erlaubt sein, ein „Ist doch nicht schlimm“ oder „Hat doch nicht weh getan“ ist immer fehl am Platze. Schließlich können wir gar nicht wissen, ob unser Kind sich wirklich nicht weh getan und beispielsweise nur erschreckt hat – aber auch das kann übrigens Grund genug sein, um den Schreck durch Weinen verarbeiten zu müssen.

Um Kindern zur Selbstregulation zur verhelfen, ist es wichtig, Gefühle immer zu benennen – nicht nur in stressigen Situationen, sondern auch im ganz normalen Alltag. So lernt das Kind sich und seine Gefühle gut einzuschätzen. Da kann am Ende so mancher Erwachsener noch etwas von lernen…

Kindern bei starken Gefühlen Alternativen bieten

Ein wütendes Kind, bei dem die Wut kein anderes Ventil findet, als seine kleine Schwester oder Mama oder Papa zu hauen, zu treten oder zu beißen, benötigt eine Alternative, wie es seine Wut loswerden kann. Während des Wutanfalls mit dem Kind zu reden ist oft sinnlos: meist sind vor allem Kleinkinder so wütend, dass wir das Gefühl haben, ihr Gehirn ist gerade ausgeschaltet und es ist gar nicht ansprechbar. Das ist übrigens tatsächlich gar nicht so falsch: vor lauter Wut kommen unsere Worte beim Kind meist gar nicht an, es versteht schlicht nicht, was wir gerade sagen.

Was wir aber tun können, ist mit dem Kind zu reden, nachdem es sich wieder beruhigt hat, und ihm Alternativen anzubieten: „Wenn du wieder merkst, dass die Wut in dir hoch steigt, dann versuch doch beim nächsten Mal, auf ein Kissen zu hauen statt, dass du deiner Schwester weh tust – oder versuch deine Wut herauszuschreien anstatt uns wehzutun.“

Dasein statt die Kinder in ihren Gefühlen allein zu lassen

Bei größeren Kindern kann man – je nach Kind und Stimmung – auch noch einen Schritt weitergehen: „Wenn du merkst, dass du so wütend wirst, dass du ganz laut schreien muss, dann geh doch bitte vorher in einen anderen Raum. So tust du mir in den Ohren weh.“ Bei unserem Julimädchen mit ihren fünf Jahren klappt das mittlerweile schon richtig gut.

Versteht mich an dieser Stelle bitte nicht falsch: dabei geht es mir nicht darum, das Kind für seine Wut zu bestrafen und auf die „Stille Treppe“ oder zur Beruhigung ins Kinderzimmer zu schicken. Nein, es geht mir ausschließlich darum, mich und ggf. die anderen im Raum zu schützen: ich habe leichten Tinnitus und sehr laute Geräusche kann ich nicht gut vertragen, das verschlimmert meine Ohrgeräusche.

Natürlich ist es immer wichtig, die Kinder in ihren Gefühlen zu begleiten und für sie da zu sein. Dabei sollte man auch darauf achten, was das Kind gerade braucht: Nähe oder lieber Abstand (von sich aus gewählt).

Was mir geholfen hat, Gefühle anzunehmen: Gefühle für Erwachsene erklärt

Wie gesagt, ich habe als Kind mehr gelernt, Gefühle als falsch anzusehen und zu unterdrücken als sie wirklich ausleben zu können. Als ich selbst Mutter wurde, fiel es mir dementsprechend schwer, mit meiner weinenden schreienden Tochter umzugehen – besonders als Neugeborenes hat das Julimädchen viel geweint. Das mag aber auch daran liegen, dass sie ihre Geburt und ihr nicht gerade einfaches Ankommen in dieser Welt erst einmal verarbeiten musste.

Was mir geholfen hat, die Gefühle meiner Kinder auszuhalten, war einerseits immer wieder der Austausch mit anderen Eltern und das Wissen, dass ich nicht alleine war mit meinem weinendem Baby und Kleinkind.

Um die Gefühle meiner Kinder wirklich annehmen und möglichst gelassen darauf reagieren zu können, bin ich auf die folgenden beiden Bücher gestoßen, die ich allen Eltern nur ans Herz legen kann (unbeauftragte und unbezahlte Werbung, Link zum Verlag):

Nadine von Villa-Kunterbunter hat sich ebenfalls mit dem Thema Gefühle in Flashcards und Kinderbüchern auseinandergesetzt. Und Susanne von Geborgen Wachsen hat noch ein paar sehr schöne Kinderbücher zum Umgang mit Wut zusammengesucht.

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