Wie und mit welchen Worten können Eltern mit Kindern über Sex reden?

[Buchvorstellung / Rezensionsexemplar]

Könnt ihr euch noch daran erinnern, wie ihr aufgeklärt wurdet? Und von wem? Ich erinnere mich daran, dass das Thema Liebe, Sex, Geschlechtsreife etc. bei uns in der 3. oder 4. Klasse zum Sachkunde-Unterricht gehörte. Das Buch „Peter, Ida und Minimum“, mittlerweile ein Klassiker, war ebenfalls Teil des Unterrichts.

Woran ich mich nicht erinnern kann, ist wie und wann meine Eltern jemals mit mir über Sex geredet haben. Als ich meinen ersten Freund hatte, kam natürlich irgendwann das Thema Verhütung auf, aber ob und wie wir uns z.B. über die obige Unterrichts-Einheit unterhalten haben oder ob ich bereits vorher aufgeklärt war, weiß ich gar nicht mehr. Dementsprechend fällt es mir ebenfalls schwer, mit meinen Kindern über Sex zu sprechen. Als das Märzbaby noch in meinem Bauch war, haben wir zahlreiche Kinderbücher zum Leben mit neuem Geschwisterkind gelesen und darüber, wie das Baby im Bauch wächst.

Die Frage, wie das Baby entstanden ist, kam zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht auf. Als vor kurzem eine Bekannte von uns schwanger war, hat unser Julimädchen mit mittlerweile 7 Jahren dann doch die Frage gestellt, wie denn das Baby in den Bauch gekommen wäre. Da stand ich dann da und wusste erst nicht so recht, wie ich ihre Frage beantworten sollte…

Mit Kindern über Sex reden: mithilfe von Büchern

Zum Glück hat uns der EMF Verlag die beiden Bücher „Sex ist wie Brokkoli nur anders“ und „Von wegen Bienchen und Blümchen“ und der Kösel-Verlag hat das Buch „Aufklärung von Anfang an“ zur Verfügung gestellt. Denn mit Büchern lässt sich die Welt gut erklären und wir lieben hier alle Bücher, vor allem wenn sie uns die Welt erklären:

„Sex ist wie Brokkoli nur anders“* von Carsten Müller und Sarah Siegl

Buchvorstellung: "Sex ist wie Brokkoli nur anders"
„Sex ist wie Brokkoli nur anders“*

Dieses Buch richtet sich an die ganze Familie, bevorzugt aber an die Eltern. Darin habe ich unter anderem gelernt, dass das Thema Sex in der Regel deswegen so schambehaftet ist, weil wir nie gelernt haben, darüber unbefangen zu reden. Für Kinder ist es dagegen erst mal ein Thema wie alle anderen.

Im Kapitel für Kinder steht vieles, was wir später auch in „Von wegen Bienchen und Blümchen“ gelesen haben (siehe unten). Wer das Thema in dieser Stelle gut sein lassen möchte, dem empfehle ich, das Buch „Von wegen Bienchen und Blümchen“ ins Regal der Kinderbücher zu stellen und „Sex ist wie Brokkoli nur anders“ als Elternteil selbst zu lesen. Denn selbstverständlich finden sich hier noch viele weitere Informationen, die über den kindlichen Informationsgehalt hinausgehen.

Selbstreflektion: was weiß und denke ich über Sex? Ein Tabuthema?

Darf ein Vater mit Kindern nackt baden? Finden wir das anstößig? Und wenn ja, warum? Zuletzt habe ich in einer Facebook-Gruppe eine Diskussion mitbekommen, in der eine Mutter erzählte, dass ihr Kind dem Vater, als er im Bad nackt vor dem Kind stand, aus irgendwelchen Gründen vor Wut in seinen Penis gebissen hatte (aua!). Sie suchte nach Erziehungsratschlägen, wie man mit der kindlichen Wut umgehen kann.

Stattdessen bekam sie zahlreiche Vorwürfe: wie es denn sein könnte, dass der Vater sich dem Kind nackt zeigen würde?! Einige Diskussionsteilnehmer*innen sagten, bei ihnen würde der Kindsvater immer nur mit Badehose bekleidet mit den Kindern in die Badewanne steigen. Dieses und viele weitere Beispiele zeigen, wie verklemmt und verschämt unsere Eltern-Generationen an vielen Stellen noch ist. Auch bei Carsten Müller ist dies in seiner Praxis für Sexualität immer wieder ein Thema. Er schreibt dazu:

„Ich bekomme in meiner Praxis immer wieder Anrufe von besorgten Eltern. […] Ich stelle dann die Gegenfrage: Finden Sie es okay, wenn die Mutter das macht? In der Regel beantworten die Eltern das mit ja. Und ich finde: Was für Mama gilt, sollte auch für Papa gelten.“

(Carsten Müller, Sex ist wie Brokkoli nur anders, S. 45)

Von Aufklärung für (Schul-)Kinder über Pubertät bis hin zu den Wechseljahren

„Sex ist wie Brokkoli nur anders“ ist, wie der Untertitel es bereits beschreibt, in der Tat „Ein Aufklärungsbuch für die ganze Familie“. Neben der Aufklärung für Kinder wird wirklich die ganze Bandbreite von Sexualität angesprochen: Pubertät, Verhütung, Kinder kriegen, Sexualität und Partnerschaft nach der Geburt, Selbstbefriedigung, Fremdgehen, Wechseljahre.

Darüber hinaus geht es auch darum, wie man als Paar im Alltag immer im Gespräch bleiben kann über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Besonders angesprochen haben mich dabei Kapitel-Überschriften wie „Der Alltag ist ein Arschloch“ – das trifft doch insbesondere mit drei recht kleinen Kindern bei uns sehr oft zu.

Das Buch ist leicht zu lesen und hat mir auch einiges klar gemacht, was für die sexuelle Entwicklung meiner Kinder und in meiner Partnerschaft wichtig ist. Offenheit, im Gespräch bleiben und die richtigen Begriffe für die Sexualorgane verwenden sind enorm wichtig, damit sich oben erwähnte Sprachlosigkeit und Scham, was das Thema Sexualität angeht, nicht fortsetzt.

„Aufklärung von Anfang an“* von Christiane Kolb

„Aufklärung von Anfang an“ von Christiane Kolb verfolgt einen etwas anderen Ansatz als „Sex ist wie Brokkoli nur anders“. Hier geht es etwas theoretischer um die Aufklärung der Kinder, aber mit sehr viel gutem Hintergrundwissen für die Aufklärer, also die Eltern. Zeichnungen wie z.B. von den Genitalien oder ein Kapitel für Kinder / Jugendliche gibt es hier nicht. Christiane Kolb hat jedoch eine gute Begründung dafür:

„Ich verzichte hier bewusst auf schematische Darstellungen, weil sie nie wirklich hübsch sind und weil ich mich noch an das distanzierte Gefühl beim Sexualkunde-Unterricht erinnere: Was hat das zweidimensionale Schema mit meinem fühlenden, dreidimensionalen Körper zu tun?“

(Christiane Kolb, Aufklärung von Anfang an, S. 87)

Im Buch „Aufklärung von Anfang an“ wird die Sexualerziehung sehr passend mit der schrittweisen Straßenverkehrserziehung verglichen: am Anfang sind die Kinder eher passiv, z.B. im Kinderwagen im Straßenverkehr involviert. Je aktiver sie werden, desto mehr müssen sie wissen, über die Regel im Straßenverkehr und wer gerade Vorfahrt hat oder wer Rücksicht nehmen muss. Daher beginnt das Buch mit einer ausführlichen Beschreibung der Sexualitätsentwicklung, von der Zeugung bis ins Grundschulalter.

Über vermeintliche Scham und Tabus

Christiane Kolb betont, wie wichtig eine neutrale und unaufgeregte Sprache ist – für die Aufklärung und auch die Worte, die für die Genitalien verwendet werden. Scham ist hier wortwörtlich fehl am Platz.

Das Buch ist insgesamt sehr gut und leicht zu lesen durch Schaukästen, Rückblicke, Einschübe, Anmerkungen von Eltern. Wie bereits erwähnt, bietet es auch durch die Rückblick-Kästen eine Möglichkeit zur Reflexion der eigenen Gefühle: was wollen wir anders machen als unsere Eltern? Eine Frage, die wir Eltern uns in Sachen Erziehung nicht oft genug stellen können und die uns hilft, uns weiterzuentwickeln.

Auch vermeintliche Tabus werden im Buch angesprochen wie die Frage: Was tun, wenn ein Kind (versehentlich oder absichtlich) einen Porno-Clip gesehen hat? Das ist nicht nur ein Thema der Sexual-, sondern auch der Medienerziehung. Dementsprechend behandelt das Buch auch die Frage, ob Alterssperren eine Möglichkeit sind und welche Schutzvorkehrungen es noch gibt. Abgerundet wird das Buch mit einem Kapitel zu Geschlechtergerechtigkeit, Klischees, Diversität und sexuelle Identität.

„Von wegen Bienchen und Blümchen“* von Carsten Müller, Sarah Siegl und Emily Claire Völker

Mit Kindern über Sex reden: Buchvorstellung "Von wegen Bienchen und Blümchen"

Das Buch „Von wegen Bienchen und Blümchen“* richtet sich in erster Linie an Kinder, ich würde sagen, ab dem Vorschulalter, und erklärt auf unaufgeregte und ansprechende Weise, wie Kinder entstehen, was Geschlechtsreife bedeutet, was Sex, Verhütung und vieles mehr ist.

Ich finde, Aufklärung ist heute wichtiger denn je. Spätestens ab der Grundschule, wenn Kinder Google, YouTube und Co. verwenden und dadurch versehentlich mehr über Sex erfahren, als sie eigentlich wollten.

Was ich an diesem Buch besonders mag, ist die Diversität: hier werden Regenbogen-Familien, Patchwork-Familien, behinderte Menschen und alle möglichen Hautfarben dargestellt. Ich finde übrigens, das sollte in viel mehr Kinderbüchern der Fall sein!

Missbrauchsprävention: Stop oder nein sagen können ist wichtig!

Mit Kindern über Sex reden: Missbrauchsprävention und Nein sagen lernen

Auch um Missbrauch vorzubeugen, ist es wichtig, dass Kinder ab dem Grundschulalter aufgeklärt sind. Kinder sollten wissen, was Scham ist und wie sie in Situationen, die sie unangenehm finden, nein sagen. Auch dieses Thema ist Teil des Buches.

Dabei gilt bei uns der Grundsatz: Nein heißt nein! Wenn wir als Eltern die körperlichen Grenzen unserer Kinder nicht überschreiten, sondern respektieren, fällt es ihnen hoffentlich leichter, auch bei anderen Situationen „nein“ oder „Stop“ zu sagen.

Mir ist es wichtig, meinen Kinder zu kommunizieren, dass sie mit all ihren Fragen oder Problemen zu uns kommen können. Dazu gehört auch, dass wir all diese Probleme ernst nehmen und nicht klein reden – dann geraten wir nämlich viel zu schnell in einen Adultismus.

Gleichzeitig sollten wir auch die kleinen Probleme ernst nehmen, damit unsere Kinder sich trauen und uns vertrauen, dass sie auch mit großen Problemen jederzeit auf uns zukommen können.

Was hilft noch, um Missbrauch zu vermeiden?

Wir achten außerdem darauf, dass an Rucksäcken und Co. Keine großen Namensschilder kleben (auch wenn sie natürlich alle mit Namen beschriftet sind, um Verwechslungen zu vermeiden – aber die Beschriftung ist bei uns innen!), damit die Kinder nicht von Fremden mit Namen angesprochen werden können.

Und noch ein Tipp, den ich auf Twitter gefunden habe: ein Kennwort beim Abholen. Sollte es aus dringenden Gründen nötig sein, dass mein Kind von einer anderen Person von der Kita, dem Spielplatz oder anderswo abgeholt werden muss, gebe ich dieser Person ein Kennwort, das auch mein Kind kennt. Spricht also ein*e Fremde*r mein Kind an und sagt, dass es mitkommen soll, weil wir als Eltern ihr*ihm das Abholen aufgetragen haben, fragt mein Kind nach dem Kennwort und geht nur dann mit, wenn die Person dieses Kennwort nennen kann.

Kinderfotos im Netz: ja oder nein?

Die Sachen mit den Kinderfotos im Netz gehört nur am Rande in das Thema Aufklärung für Kinder, es ist aber trotzdem ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang. Eigentlich gehört es zum Thema Aufklärung für Eltern. Schließlich gibt es noch immer viel zu viele Eltern, die die Fotos ihrer Kinder ohne nachzudenken in sozialen Netzwerken posten.

Es gibt dazu viele Gedanken, Meinungen und Kontroversen. Wir haben uns für folgendes entschieden: ganz auf Kinderfotos verzichten, sei es hier im Blog oder in Social Media, möchte ich nicht, deswegen werden meine Kinder immer nur von hinten und niemals mit dem Gesicht gezeigt. Auch das hat seine Vor- und Nachteile, das ist mir bewusst, aber es ist für unsere Familie der bestmögliche Kompromiss. Mehr zum Thema Kinderfotos gibt es in diesem Artikel aus der FAZ.

Unsere Vorgehensweise: mit Kindern über Sex reden

Unsere 7-Jährige hat sich das Buch „Von wegen Bienchen und Blümchen“ bereits ausführlich angeschaut und stellenweise gelesen bzw. vorlesen lassen. Das Buch steht nun in ihrem Bücherregal. So kann sie es sich in Ruhe anschauen – ohne dass wir Eltern das direkt mitbekommen. Eine Vorgehensweise, die im Buch übrigens auch empfohlen wird, um das Thema ganz ungezwungen angehen zu können.

Wir haben noch einmal betont, dass sie bei Fragen stets zu uns kommen kann und dass wir uns das Buch jederzeit gerne wieder gemeinsam anschauen können, wenn sie etwas genauer wissen möchte – entweder ganz oder nur die Seiten, für die sie sich gerade interessiert.

Denn genauso lässt sich das Buch nutzen: man kann es einfach ganz von vorne bis hinten lesen oder als Nachschlagewerk benutzen, wenn ein bestimmtes Thema gerade besonders spannend ist. Dazu gibt es ganz hinten im Buch übrigens auch ein praktisches Stichwortverzeichnis.

Mehr zum Thema mit Kindern über Sex reden zum Weiterlesen und -Hören:

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