Teil 1: Feministische Mutterschaft – die besten Bücher dazu aus 2022

[Rezensionsexemplare / Buchvorstellung]

June Osborne: „Ich habe Glück gehabt.“
Mayday Aktivistin: „Das sagen Frauen immer, wenn sie etwas Außergewöhnliches tun.“

aus: Handmaid’s Tale, Staffel 5, Folge 3 „Grenze“

Heute ist Weltfrauentag und ein paar Fragen zu Feminismus und Gleichberechtigung beschäftigen mich schon seit einiger Zeit ganz besonders: Wie kann ich meine Kinder bedürfnisorientiert erziehen und dabei gleichzeitig meine eigenen Bedürfnisse als Mutter nicht aus den Augen verlieren? (Darüber habe ich übrigens auch bereits im Artikel Bedürfnisorientiert Grenzen setzen geschrieben.)

Meine Fragen zum Weltfrauentag lauten aber auch: Wie kann ich meinen Kindern in Sachen Gleichberechtigung und Gender Care / Pay Gap ein gutes Vorbild sein und dafür sorgen, dass sie als Erwachsene in ihrer Partnerschaft eine gerechtere Aufteilung finden, als ich? Sind wir Mütter zu angepasst oder zu bescheiden, so wie June Osborne im Zitat oben?

Als Mutter von drei Töchtern möchte ich natürlich, dass meine Kinder möglichst gleichberechtigt aufwachsen und gleiche Chancen haben können, egal welchem Geschlecht sie angehören. Nun bin ich allerdings bei uns gleichzeitig diejenige, die für meine Kinder die Elternzeiten zu nahezu 100 Prozent übernommen hat, weil mein Mann selbstständig ist.

Was muss ich also tun, um meinen Kindern feministische Mutterschaft vorleben zu können?
Diese Frage stelle ich mir seit langem und zum Glück sind 2022 so viele gute Bücher von so vielen außergewöhnlichen Frauen zu diesem Thema erschienen, dass es mir schwer fiel, wo ich zuerst anfangen sollte zu lesen. Daher findet ihr hier mein ganz persönliches Best of neuer Bücher zu feministischer Mutterschaft:

Die besten Bücher zu feministischer Mutterschaft und Gleichberechtigung aus 2022:

„New Moms for Rebel Girls“ von Susanne Mierau*

Buchcover Susanne Mierau, "New Moms for Rebel Girls"

Susanne Mieraus Buch „New Moms for Rebel Girls – Unsere Töchter für ein gleichberechtigtes Leben stärken“* ist im März 2022 erschienen und es ist ein Buch, das wütend macht auf das Patriarchat.

Einige Fakten zur Ungleichbehandlung der Geschlechter waren mir bereits bewusst: die meisten Medikamente sind auf Männer ausgerichtet, auch beim Autofahren sind männliche Körper besser geschützt, da die Crash Test Dummies ebenfalls männlich geformt sind. Wie tief diese Ungleichbehandlung in unserer Gesellschaft verankert ist und wie sehr wir alle vom Patriarchat beeinflusst werden, wurde mir beim Lesen von „New Moms for Rebel Girls“ noch einmal schmerzlich bewusst.

Ein Buch, das Missstände in unserer patriarchalen Gesellschaft aufzeigt

Feministische Mutterschaft: Zitat aus Susanne Mierau, "New Moms for Rebel Girls"

Wie oben bereits erwähnt, handelt es sich um ein Buch, das wütend macht. Also hat Susanne Mierau damit wohl alles richtig gemacht – und einen Schritt in die richtige Richtung, um die aberzogene Wut wieder fühlbar zu machen (zumindest in meinem Fall!).

Ein Buch, das Lösungen aufzeigt

Ich habe schon viele Bücher von Susanne Mierau gelesen und sie alle haben mich unterschiedlich berührt und die Beziehung zu meinen Kindern gestärkt. Susanne Mieraus Schreib-Stil mag ich sehr gern und fühle mich dabei sehr abgeholt in meiner Wirklichkeit. Ein Buch, das u.a. die Serie „Gilmore Girls“ zitiert und über das dort dargestellte Frauenbild spricht, kann meiner Meinung nach nur gut sein!

Mein Fazit: Ein absolut empfehlenswertes Buch – insbesondere für alle Mütter mit Töchtern, aber auch für alle anderen Elternteile mit Töchtern und Söhnen!

„Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ von Alexandra Zykunov*

Feministische Mutterschaft und Gleichberechtigung: das Buch "Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!" von Alexandra Zykunov
„Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ von Alexandra Zykunov (Rezensionsexemplar)

Den Spruch „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“* habe ich in letzter Zeit an so vielen Stellen gehört – und nein, dem stimme ich absolut nicht zu. Sind wir nicht.

Umso mehr habe ich mich gefreut, dass Alexandra Zykunov darüber ein Buch geschrieben hat. Und wer Alexandra schon mal auf einer Lesung, im Interview oder per Podcast hat sprechen hören, der kann sich ihren wütenden Ton, während sie das Buch geschrieben hat, ganz wunderbar vorstellen.

In 25 Kapiteln rechnet Alexandra mit all den „Bullshitsätzen“ ab, die wir Frauen uns tagtäglich anhören dürfen und führt aus, warum jeder einzelne davon falsch ist und wieso uns das Patriarchat aber genau das glauben machen möchte.

Alles in allem: ein wunderbares, wütend machendes und absolut notwendiges Buch!

Was das ganze noch besser machen würde: eine Hörbuch-Version, am liebsten gesprochen von der Autorin selbst in dem wütenden Ton, in dem sie das Buch auch geschrieben hat! Damit demnächst auch wirklich alle verstanden haben, wie ernst die Situation mit der nicht-vorhandenen Gleichberechtigung wirklich ist.

Was ich in Alexandra Zykunovs Buch gelernt habe:

Alexandra Zykunov schreibt, dass Frauen nicht gut darin sind, ihr Gehalt, Zeit für sich und Selbstfürsorge zu verhandeln bzw. einzufordern. Worin sie gut sind jedoch, sind Dinge für andere auszuverhandeln. Und da sind wir wieder beim Thema „New Moms for Rebel Girls“*: was wir als Mütter tun müssen, ist jetzt Zeit für uns einzufordern, damit unsere Töchter uns als Vorbild haben und entsprechend als Erwachsene selbst Zeit für sich selbst einfordern können. Und damit sind wir auch direkt beim nächsten Buch, denn da geht es um Zeit:

„Alle_Zeit“ von Teresa Bücker*

Feministische Mutterschaft und Gleichberechtigung: das Buch "Alle_Zeit" von Teresa Bücker
„Alle_Zeit“ von Teresa Bücker (Rezensionsexemplar)

Was hat das Thema Zeit mit feministischer Mutterschaft und Gleichberechtigung zu tun? Oben ging es bereits um das Ausverhandeln von Zeit, das ich für mich als Mutter und dementsprechend für die Zukunft meiner Kinder tue. Hier schließt sich also der Kreis zu den Bücher von Susanne Mierau und Alexandra Zykunov:

Während ich diese Zeilen schreibe, fühle ich mich gehetzt, unter Stress und merke, dass mir wieder mal (fast) die Zeit fehlt, um diesen Beitrag fertig zu schreiben. Ich bin also genau im Thema von Teresa Bückers neuestem Buch: „Alle_Zeit“:

„Wenn schon in unserer Kindheit und Jugend die Erfahrung allgegenwärtig ist, dass Schnelligkeit belohnt und Langsamkeit bestraft wird – dass die Uhr immer etwas schneller ist, als wir es sein können – warum sollten wir dann später als Erwachsene fragen, ob es es eigentlich so sein muss, dass unsere Zeit nie reicht?“

Teresa Bücker, „Alle_Zeit“, S. 24

Was mir an diesem Buch gefällt: Teresa Bücker schreibt über Zeitarmut und Zeitreichtum, wobei das nicht mit Geldarmut oder -reichtum gleichzusetzen ist. Im Gegenteil sind es oft die gut Verdienenden Menschen, die sich selbst hetzen und viele Termine in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit und Freizeit haben. Außerdem – und hier kommen wir wieder zu Feminismus und Gleichberechtigung – leiden Frauen häufiger unter Zeitarmut, Stress und letztendlich Burnout als Männer.

Und was hat das alles mit Care Arbeit zu tun?

Mütter trifft dieses Zeitproblem besonders häufig. Bei mir z.B. liegt oft die Entscheidung darin, ob ich eine Sache erledigt bekomme, dass ich sie entweder nicht schaffe oder dafür auf etwas anderes (Schlaf, Zeit mit meinen Kindern, eine andere Sache meiner nicht enden wollenden To-Do-Liste etc.) verzichten muss. Das liegt u.a. daran, dass Care Arbeit einen so geringen Stellenwert in unseren Köpfen hat.
Auch der Zeit für Care Arbeit widmet Teresa Bücker ein eigenes Kapitel in ihrem Buch.

Feministische Mutterschaft: Zitat aus "Alle_Zeit" von Teresa Bücker

Wie kann also eine moderne Zeitkultur aussehen, die für mehr Lebensqualität und vor allem für Gleichberechtigung sorgt? Dazu macht Teresa Bücker einige Vorschläge:

„Bis zu 15 Stunden mehr verfügbare Zeit pro Woche bräuchten Eltern, um ihren Alltag bewältigen zu können. Bisher müssen sie ihre Familienaufgaben stattdessen in die Abende und das Wochenende quetschen. […] Der von Eltern empfundene Stress entsteht maßgeblich durch ihre zeitliche Überforderung, denn all die Dinge, an die sie bei der Familienorganisation denken müssen, sind niemals ganz zu schaffen.“

Teresa Bücker, „Alle_Zeit“, S. 111-112

Und weiter schreibt sie:

„Unsere gesellschaftlichen Strukturen gewähren Eltern zunehmend Raum für Erwerbsarbeit, aber die Zeit für Erholung haben wir bislang nicht kollektiv organisiert. An diesem Systemfehler können wir erkennen, dass eine erwerbsarbeitszentrierte Gesellschaft nicht nachhaltig sein kann.“

Teresa Bücker, „Alle_Zeit“, S. 116

Nicht nur Mütter brauchen also mehr Zeit, sondern Eltern und Familien im Allgemeinen. Warum das übrigens aktuell nicht der Fall ist (und weder politisch noch gesellschaftlich gewünscht ist), erfährst du im Beitrag zum Thema „Kinderfeindliches Deutschland“, indem es ebenfalls um die Bücher zweier starker Frauen geht: Nathalie Klüver und Sabine Rennefanz.

Mein Resümee: was wir tun können und unbedingt tun sollten:

Wenn Beiträge zu Feminismus, Gleichberechtigung oder feministische Mutterschaft in den sozialen Netzwerken gepostet werden, dann kommen darunter oft sehr schnell sehr viele hämische oder verachtende Kommentare zusammen. Ein „Stellt euch nicht so an, so schlimm ist das doch gar nicht.“ oder „Ihr Frauen seid doch alle längst gleichberechtigt, was wollt ihr denn noch?!“ (siehe oben) sind da an der Tagesordnung.

Das macht mich traurig und – wie beim Buch lesen der Bücher von Susanne Mierau und Alexandra Zykunov – wütend. Ich beobachte diese Kommentare von vorwiegend weißen Männern, mittleren Alters und häufig auch mit höherem Bildungsgrad (soweit man das in den sozialen Medien anhand von Profil und Ausdrucksweise erschließen kann).

Macht feministische Mutterschaft Angst?!

Jedenfalls habe ich dabei in diesem Zusammenhang öfter das Wort „Misandrie“ gehört, das ich selbst erst mal nachschlagen bzw in die Suchmaschine meines Vertrauens eingeben musste. Misandrie (nachdem ich nun herausgefunden habe, dass es die Vormachtstellung von Frauen über Männer bedeutet) ist allerdings völlig falsch verstandener Feminismus und gar nicht das Ziel von Büchern wie den oben vorgestellten. Vielmehr geht es um die so oft erwähnt GLEICHberechtigung und vor der sind wir zwar auf dem Papier nah dran, in der Realität aber meilenweit entfernt.

Warum also haben gerade diese Männer so viel Angst vor Gleichberechtigung und davor, dass Kinder- und Altersdiskriminierung aufgehoben werden könnte (soweit sind wir ja noch lange nicht…)? Ich vermute: weil sie Angst haben, ihre Vormachtstellung zu verlieren. Und das wiederum stimmt mich ein klein bisschen hoffnungsvoll: wenn sie Angst vor einer kinderfreundlichen gleichberechtigten Gesellschaft haben, dann sind wir unserem Ziel vielleicht doch näher, als ich es gerade absehen kann?

Mehr über feministische Mutterschaft und Gleichberechtigung:

Was bedeutet Muttertät und was hat das mit feministischer Mutterschaft und Gleichberechtigung zu tun? Das habe ich die Autorinnen des Buches „Muttertät“ Hanna Meyer und Svenja Krämer im Interview gefragt.

Eben schon erwähnt: ein Artikel zur Frage wie kinderfeindlich ist Deutschland und warum kommen Frauen und Kinder immer zuletzt: Buchvorstellung Kinder- und Frauenfeindlichkeit in Deutschland

Auch sehr spannend: Katharina von Ichgebaere.com über die feministische Geburt und was sie aus „New Moms for Rebel Girls“ zum Thema Geburten gelernt hat

Und noch ein Podcast-Tipp: Q&A Feministische Mutterschaft mit Johanna Fröhlich Zapata von den Alltagsfeministinnen, die ich übrigens hier zum Thema Alltagsfeminismus schon mal interviewt habe.

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