…oder „wie sagt man?“
Es gibt Themen, da scheiden sich die Geister bei vielen Eltern, und dazu gehören nach meiner Erfahrung auch sehr oft die Worte Bitte, Danke und Entschuldigung.
Bei uns ist es so, dass wir Vorbild sein möchten für unsere Kinder – wenn wir im Alltag immer freundlich bitte und danke sagen und uns auch für unsere Fehler und Versehen bei unseren Kindern entschuldigen, dann glaube ich, dass sie die Bedeutung dieser Worte viel eher verstehen und verinnerlichen, als wenn sie zum Benutzen dieser Worte aktiv aufgefordert werden.
Was bringt es mir, wenn ein einjähriges Kind zum „ei“ machen aufgefordert wird und sich damit bei dem Kind, dem es weh getan hat, entschuldigen soll? Ein einjähriges Kind hat noch nicht verstanden, warum es dazu aufgefordert wird und dass es schuld daran ist, dass sein Gegenüber gerade weint. Für viel sinnvoller halte ich es, wenn mein Kind einem anderen weh getan hat und nicht in der Lage – oder aber auch nicht gewillt – ist, sich zu entschuldigen, dass ich das übernehme. Ich entschuldige mich für mein Kind bei dem, dem es weh getan hat.
Genauso ist es beim Bedanken. Wenn mein Kind etwas bekommen hat und zu schüchtern, zu müde oder einfach gerade nicht gewillt oder in der Lage ist, sich selbst dafür zu bedanken, dann übernehme ich das halt. Und ich merke, wie sie von Mal zu Mal das Wort mehr benutzt.
Die Bedeutung hinter den Worten
Auf der anderen Seite erlebe ich viele Kinder, die diese Worte zwar benutzen, aber ihre Bedeutung nicht wirklich verstanden zu haben scheinen. Bitte und danke sind für mich nämlich keine Zauberwörter.
Wenn mich mein Kind zum gefühlt hundertsten Mal um Gummibärchen vor dem Abendessen bittet und ich hundert Mal nein gesagt habe, dann wird mich eben dieses Zauberwort „Bitte“ dabei auch ganz sicher nicht umstimmen. Nein, wenn ich nein sage, dann meine ich das auch – jedenfalls meistens. Je nach Situation und Stimmung bin ich dann gerne zum Verhandeln bereit, aber nur weil meine Tochter immer wieder „bitte, bitte, bitte“ und „Mama, ich hab auch bitte gesagt“ wiederholt, stimmt mich das nicht um.
Was ich viel wichtiger finde als bitte und danke: eine freundliche Frage. Und eine Frage, in der das Wort bitte vorkommt, die aber eher wie ein Befehl ausgesprochen wird, regt mich viel eher auf als die Tatsache, ob das Wort bitte nun benutzt wird oder nicht. An der Stelle versuche ich meiner Tochter auch tatsächlich zu erklären, dass ich mit diesen Befehlen oder Schreien nichts anfangen mag und ihr ihre Bitten auch tatsächlich lieber erfülle, wenn sie mich freundlich fragt. Ob mit oder ohne bitte ist mir dabei egal. Das versuche ich ihr kindgerecht zu erklären und mit mittlerweile vier Jahren ist sie dazu, wie ich finde, auch bereits alt genug.
„Ich kann dich nicht verstehen.“
Und dann gibt es noch die Eltern, die so auf Bitte, Danke und Co. bestehen, dass sie sich weigern, den Satz zu verstehen, den ihr Kind gesagt hat, wenn das „Zauberwort“ darin nicht vorkommt. Ein Kind möchte von der Tagesmutter unbedingt nach Hause, es hat einen langen Tag und eine lange Woche hinter sich, es sagt: „Können wir nach Hause gehen, Mama?“. Doch die Mutter sagt „Ich verstehe dich nicht. Kannst du das bitte noch mal sagen?“ und besteht unausgesprochen darauf, dass ihr zweijähriges Kind das Wort „bitte“ in den Satz einbaut, bevor sie – vorgeblich – verstehen kann, was ihr Kind gesagt hat.
In einer solchen Situation handeln Eltern – meiner Meinung nach – nicht authentisch, denn das Kind spürt an dieser Stelle, dass es von seiner Mutter verstanden wurde. Es schreit daher immer lauter und so deutlich wie möglich den immer gleichen – und aus Sicht der Mutter falschen/unverständlichen Satz, bevor es zum Zusammenbruch kommt, weil es an der Handlung seiner Mutter verzweifelt. Hätte die Mutter an dieser Stelle genau hingesehen, hätte sie vielleicht sehen können, dass ihr Kind zwar versucht hat, zu kooperieren, es nur schlicht nicht verstanden hat, was sie von ihm möchte. Denn es hat ja wiederholt, was es bereits zuvor gesagt hat.
„Wie heißt das Zauberwort?“
Zum Glück gibt es auch viele positive Beispiele, die zeigen, wie das Vorleben von Dankbarkeit auch funktionieren kann. Lachen musste ich neulich über eine Geschichte von Caspar Mierau, dessen drei Kinder an der Wursttheke gefragt wurden, wie denn das Zauberwort hieße. Er erzählt, wie sie erst ratlos da standen und eines der Kinder schließlich „Expelliarmus“ antwortet. Auch wenn alle Nicht-Harry-Potter-Fans den Witz daran wohl nicht verstehen werden, freut es mich an dieser Stelle total, wie die Kinder der Mieraus zu ihrem Glück, diese Frage anscheinend noch nie gehört haben.
Das ist vor allem bei unserer Großen leider anders. Denn Tagesmutter, Kindergarten und auch die meisten Verwandten bestanden bzw. bestehen bei uns auf bitte und danke und ich frage mich manchmal, wie konsequent unsere Erziehung an der Stelle ist, wenn wir als Eltern zwar nicht darauf bestehen, andere Erwachsene, mit denen unsere Kinder aber auch viele Berührungspunkte haben, dann aber schon. Ich hoffe eigentlich immer, dass meine Kinder an der Stelle differenzieren können.
Das Aprilmädchen bleibt im Gegensatz zum Julilmädchen noch weitgehend zu Hause, bis zu im Sommer mit knapp 2,5 Jahren in die Kita kommt. Und bei ihr merkt man, dass wir hier mehr als gutes Vorbild agieren konnten als bei ihrer Schwester. Zu ihrem Wortschatz, der aktuell noch nicht viel mehr als 10 Worte umfasst, gehören die Worte „bitte“ und „danke“ ganz selbstverständlich dazu.
Aber gerade wenn das Julimädchen aus dem Kindergarten kommt, merke ich, dass unser Kindergarten leider nicht ganz so bedürfnisorientiert erzieht wie wir zu Hause – was für mich aber gleichzeitig nicht heißt, dass meine Kinder dort nicht gut aufgehoben wären. Und dann höre ich wieder „Mama, ich habe doch bitte gesagt“… oder:
„Ich habe doch Entschuldigung gesagt – ist jetzt nicht alles wieder gut?“
Für mich sind es deswegen nicht die Worte an sich, die etwas an der Situation ändern, sondern die Tatsache, dass die Worte eine Bedeutung haben und dass meine Kinder diese Bedeutung verstanden haben. Ein genuscheltes Entschuldigung an die Schwester, der gerade auf die Finger getreten wurde, macht für mich noch lange nicht alles gut.
Anders sieht es für mich aus, wenn mein Kind versteht, was es falsch gemacht hat und die Schwester liebevoll getröstet wird. Und das geht im Zweifel auch ganz ohne Worte.
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