– und warum ich meine Kinder dazu nicht zwinge
Wir sind auf dem Spielplatz mit anderen Kindern und deren Eltern verabredet, ausnahmsweise haben wir unsere Sandsachen vergessen. „Oh Mist“, sage ich, „dann müssen wir noch mal schnell nach Hause und unsere Sandsachen holen.“ Der Spielplatz ist nicht weit weg von unserem Haus, also ist das kein Problem. „Nein, lass nur“, sagt eine der anderen Mütter, „wir haben genug Sandsachen dabei.“ Und dann teilt sie ihrem Kind mit, dass es seine Sandsachen mit meinen Kindern teilen soll. „Ich will aber nicht“, sagt das Kind. „Doch, du teilst, du hast mehr als genug Sandsachen dabei. Du teilst jetzt sofort oder wir gehen nach Hause.“
„Nein“, sage ich, „das ist schon okay, wenn du nicht teilen möchtest, dann musst du nicht. Wir haben unsere Sandsachen schließlich vergessen und wir können sie auch kurz zu Hause holen gehen.“ – „Ach, Quatsch, ihr müsst ja nicht extra nach Hause gehen, es sind doch schon genug Sandsachen hier“, sagt die andere Mutter. „Mein Kind muss sowieso dringend lernen zu teilen.“
Und dann bringt sie ihr Kind – manchmal auch unter Androhung von Strafen – dazu, seine Sandsachen zu teilen. Das gleiche passiert übrigens auch gerne, wenn wir unsere Sachen zwar dabei haben, aber das andere Kind ein tolles Spielzeug wie einen Bagger für den Sand hat, den meine Kinder nicht haben. Die Reaktion der anderen Eltern ist sehr oft: was an Spielsachen mit auf den Spielplatz gebracht worden ist, wird auch geteilt.
Ich zwinge meine Kinder nicht zum teilen…
… und damit stehe ich oft alleine da. Mir ist es wichtig, dass meine Kinder durch vorleben lernen und nicht durch den Zwang „Du musst jetzt teilen“. Das Teilen-müssen oder Abgeben-müssen entsteht bei uns im Alltag mit Geschwistern oft genug – ständig wollen beide Kinder das gleiche Spielzeug und natürlich haben wir nicht alles doppelt vorhanden.
Bei uns gilt die Regel, dass jedes Kind mit einem Spielzeug spielen / ein Buch anschauen / ein Puzzle machen darf, solange sie möchte – innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Wenn das eine Kind morgens mit dem Spielzeug begonnen hat zu spielen, dann darf es bis zum Mittag oder bis wir rausgehen damit spielen. Wenn das Spielen dann durch eine Unterbrechung wie Einkaufen oder Mittagessen sowieso beendet wurde, ist anschließend das andere Kind dran.
Meistens reicht die Aufmerksamkeitsspanne bei beiden Kindern aber noch gar nicht so weit und das Spielzeug ist schon viel früher langweilig geworden, sodass diejenige, die damit gespielt hat, das Spielzeug dann auch viel schneller als nötig freiwillig wieder abgibt. Und oft genug ist das andere Kind dann auch schon gar nicht mehr an dem Spielzeug interessiert, weil es sich selbst längst mit etwas anderem beschäftigt hat. Aber so geben sie ihr Spielzeug freiwillig wieder ab, weil sie wissen, dass sie damit spielen können, solange sie möchten, eben weil sie nicht zum Abgeben gezwungen werden.
Was ich nicht möchte, ist, dass die eine der anderen das Spielzeug aus der Hand reißt oder dass sie darum streiten. Solange wir uns im Wohnzimmer aufhalten, wo größtenteils nur gemeinschaftliches Spielzeug liegt, darf jede von beiden das, was sie in der Hand hat, behalten – es wird nichts weggenommen. Anders ist es bei Spielzeug, das nur einem Kind gehört: das muss zurückgegeben werden, wenn die, der es gehört, es haben möchte. Da die beiden aktuell sehr wenig gemeinsam in einem der beiden Kinderzimmer, sondern fast immer im Wohnzimmer spielen, ist das aber nur sehr selten der Fall.
Aufbauten sollen nicht zerstört werden
Für etwas aufgebautes gilt – vor allem für das Julimädchen, weil das Aprilmädchen mit knapp 2 Jahren immer noch mal wieder gerne zerstörerisch tätig ist – dass dies stehen bleiben darf für einen Tag. Wenn die Kleine nicht an das Duplo-Haus der Großen ran darf und die Große aber gerade nicht damit spielen möchte, stellen wir es solange oben aufs Regal, wo es nicht kaputt gemacht werden kann. Diese Regel haben wir übrigens aus dem Kindergarten der Großen übernommen, wo es auch öfter Streit um Duplo- und Lego-Bauten gab, die von einem anderen Kind zerstört oder umgebaut wurden.
Auch auf dem Spielplatz müssen meine Kinder nicht teilen, wenn sie nicht möchten
Ich zwinge sie nicht. Wenn die Situation umgekehrt ist wie oben beschrieben, wir also Sandspielzeug dabei haben und ein anderes Kind nicht, dann frage ich meine Kinder, ob sie ihre Sandsachen teilen möchten. Und wenn sie nein sagen, dann ist das so. „Nein heißt nein“, das sagt auch das Julimädchen selbst schon öfter so.
Als Erwachsene weiß ich vielleicht, dass das andere Kind, mit dem mein Kind gerade nicht teilen möchte, in der Vergangenheit aber auch schon seine Sandsachen mit ihr geteilt hat bzw. teilen musste. Wenn das der Fall ist, sage ich das auch so: „Aber X. hat seine Sandsachen beim letzten Mal auch mit dir geteilt. Bist du sicher, dass du heute nicht auch mit ihm/ihr teilen möchtest?“ Manchmal ist das ein überzeugendes Argument, manchmal nicht. Wenn die Antwort nein lautet, schaue ich das andere Kind an und sage: „Tut mir leid, das Julimädchen möchte heute lieber alleine / mit ihrer Schwester mit den Sandsachen spielen. Vielleicht könnt ihr ja beim nächsten Mal wieder zusammen spielen.“
Für die Kinder ist der Fall an der Stelle meist beendet, sie spielen dann halt einfach heute nicht zusammen oder zumindest nicht im Sand, sondern gehen später zusammen schaukeln. Oder sie spielen vielleicht auch den ganzen Spielplatz Nachmittag lang nicht zusammen.
Mein Problem dabei ist nur mein schlechtes Gewissen gegenüber den Eltern des anderen Kindes. Sie haben ihr Kind ja beim letzten Mal dazu gebracht zu teilen. Und ich mache das nicht, weil mir die Grenzen meiner Kinder wichtig sind. Oft kommt es mir so vor, dass die freundlichsten Mütter / Väter ihre Kinder zum Teilen auffordern und so gegenüber anderen Kindern und Familien extrem zuvorkommend sind, die Bedürfnisse ihres eigenen Kindes, das gerade nicht teilen möchte, dabei aber oft übergehen.
Wie geht man mit einer solchen Situation um?
Ich bin mir nicht sicher, warum das häufig so ist. Sind diese Eltern sich ihrer eigenen Bedürfnisse selbst nicht bewusst und selbst so oft als Kindern in ihren Wünschen und Bedürfnissen übergangen worden, dass sie das ganz automatisch heute mit ihren Kindern ebenfalls so machen? Oder fordern sie zum teilen auf, „weil sich das so gehört“ und sie meinen, dass teilen gelernt werden muss? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich auch erst lernen musste, das Nein meiner Kinder zu akzeptieren.
Nur wie geht man damit um, wenn ein Kind teilen muss und das andere nicht? Es kommt mir dem anderen Kind gegenüber unfair vor. Ich versuche, den Eltern meine Beweggründe zu erklären, habe aber oft genug das Gefühl, nicht verstanden zu werden, weil sie schließlich selbst anders gehandelt haben. Aber die Grenzen meiner Kinder möchte ich trotzdem nicht verletzen. Ist der Grundsatz „Leben und leben lassen“ am besten? Oder ist es besser, wenn ich versuche, meine Gründe noch näher zu erläutern, um die anderen Eltern von meiner Sichtweise zu überzeugen?
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