Es gibt keine falschen Gefühle – warum wir Gefühle bei unseren Kindern immer zulassen sollten

[Artikel enthält Werbe-Links]

Über das Thema Gefühle und wie ich versuche, meinen Kindern ihre (und meine) Gefühle näher zu bringen, hatte ich vor einer Weile schon einmal geschrieben. Doch nicht immer ist es für uns Erwachsene einfach, negative oder ablehnende Gefühle und deren Beweggründe unserer Kinder nachzuvollziehen, um dementsprechend darauf reagieren und Verständnis zeigen zu können.

Gerade in stressigen Situationen können wir Eltern negative Gefühle und das Weinen unserer Kinder schlecht aushalten – zumindest ist das bei mir häufig der Fall. Wie das besser funktionieren kann, darüber möchte ich heute schreiben.

Das Weinen von Kindern wird oft nicht ernst genommen

Ein Kind auf dem Spielplatz fällt hin und weint und sofort hört man ein „Nicht schlimm“ oder „Ist doch nichts passiert“ von seiner Mutter. Ein anderes Kind weint beim Abgeben in der Kita und der Vater sagt „Stell dich nicht so an.“ oder „Mach nicht so ein Theater“. In einer Spielgruppe weint ein Kind, weil ein anderes Kind ihm ein Spielzeug weggenommen hat und die Mutter sagt: „Ist doch nicht schlimm, schau mal, hier ist ein neues Spielzeug. Damit kannst du genauso gut spielen“.

Wie oft hört man in unserer Gesellschaft diese Sätze oder vielleicht sagt man sie manchmal sogar selbst aus einem Automatismus heraus, weil wir sie früher als Kinder oft genug selbst gehört haben?

Was kann hinter diesen Gefühlen stecken?

Vielleicht hat das Kind, das auf dem Spielplatz hingefallen ist, sich wirklich weh getan, aber der Satz ist schon ausgesprochen, bevor die Eltern überhaupt nachgesehen, ob es verletzt ist? Oder es hat sich zwar nicht schlimm weh getan, ist aber furchtbar enttäuscht, weil der Sprung vom Klettergerüst nicht so geklappt hat, wie es wollte?

Vielleicht ist das Kind beim Abgeben in der Kita noch müde oder möchte noch einmal von seinem Elternteil umarmt werden, bevor es sich verabschiedet und mit seinen Freunden zu spielen beginnt? Doch der Vater ist gestresst und muss möglichst schnell ins Büro, sodass er sich mit den Gefühlen seines Kindes gerade nicht beschäftigen will und kann.

Vielleicht war das Kind in der Spielgruppe noch nicht damit fertig, dieses eine Spielzeug genau zu untersuchen – mit den Händen, Augen, Ohren und, wenn es noch ein kleines Kind ist, auch mit dem Mund? Und vielleicht hat es sich genau dieses Spielzeug aus einem bestimmten Grund ausgesucht?

Wie ist ein Umdenken möglich?

Was also sollten wir stattdessen tun? Wie können wir besser auf die Gefühle unserer Kinder eingehen? Es lohnt sich immer, sich die Situation genauer anzusehen. Wie hat sich unser Kind auf dem Spielplatz verletzt? Das können wir es fragen, während wir es auf unserem Schoß trösten. Warum ist es traurig? Was tut weh? Oder weint es aus Wut, weil es vom Klettergerüst abgerutscht ist?

Und wie geht es dem Kind, das morgens in der Kita weint? Möchte es nicht abgegeben werden, weil es gerade von einem anderen Kind öfter geärgert wird? Oder ist der beste Freund oder die liebste Erzieherin gerade krank oder in Urlaub? War der Morgen vorher schon stressig und wollte es nur noch kurz kuscheln? Geht es im Moment etwas zu spät ins Bett und ist am Morgen übermüdet?

Braucht es noch ein Abschiedsritual, das zum Beispiel Mama beim Bringen immer macht, Papa aber nicht? Oder möchte es beim Abschied am liebsten zunächst auf den Schoß einer Erzieherin sein, bevor es mit den anderen Kind zu spielen beginnt? All das können wir zusammen mit unserem Kind herausfinden.

Immer über Gefühle reden und Traurigkeit zulassen

Auch wenn das Kind noch nicht selbst sprechen kann, können wir mit ihm über seine Gefühle reden. Dem weinenden Kind in der Krabbelgruppe können wir sagen, dass es sicher traurig und enttäuscht ist, dass das andere Kind ihm das Spielzeug weggenommen hat. Und wir können das andere Kind fragen, ob es das Spielzeug nicht wieder zurück geben kann, weil jemand anderes gerade noch damit gespielt hat. So lernt es die Gefühle, die es in sich wahrnimmt, zu verstehen und später auch zu benennen.

Ich halte übrigens auch nichts davon, dass wir mit dem Kind, das das Spielzeug weggenommen hat, schimpfen sollten. Wir können ihm mitteilen, dass nun ein Kind traurig ist, weil es sein Spielzeug verloren hat. Und ihm damit zeigen, welche Folgen seine Aktionen haben.

Verdrängte Gefühle – vor allem bei den Vätern?

Meiner Erfahrung nach sind Mütter bei dem Thema Gefühle schon eher sensibilisiert; die Väter haben hier oft größere Probleme, mit den Emotionen ihrer Kinder umzugehen, vor allem, wenn es negative Emotionen sind.

Woran liegt das? Haben die heutigen Väter in ihrer eigenen Kindheit zu oft ihre Gefühle selbst hinten anstellen müssen und wissen nun nicht, wie man mit weinenden Kindern umgeht, weil sie selbst kaum getröstet wurden? Ein Indianer kennt doch keinen Schmerz, oder etwa doch?

Wer die eigenen Gefühle nicht wahrnimmt, kann auch wenig Mitgefühl zeigen

Ich möchte keineswegs an Klischees oder klassischen Rollenbildern festhalten – im Gegenteil. Doch in der Zeit als die heutigen Eltern Kinder waren, in den 80ern, war es – nach meiner eigenen Erfahrung – doch noch weitaus mehr als heute verbreitet, dass Mädchen als „Heulsusen“ tituliert wurden, während Jungen die starken Indianer sein mussten.

Weder bei Mädchen noch bei Jungen war das Weinen in der Regel gern gesehen, doch bei Mädchen wurde es – oft zähneknirschend – eher geduldet, als bei Jungen, denen das Weinen oft regelrecht verboten wurde.

All diesen Erwachsenen fällt es noch einmal weitaus schwerer, sich mit weinenden Kindern zu beschäftigen und den wahren Grund für ihre Traurigkeit oder ihre Wut herauszufinden. Häufig reagieren sie genervt und möchten einfach, dass das Kind zu weinen aufhört – egal wie. Ein Auseinandersetzen mit den kindlichen Gefühlen findet hier nicht statt.

Bei Stefanie Stahl und Julia Tomuschat in ihrem *Buch „Nestwärme, die Flügel verleiht“*, habe ich gelesen, dass wir die eigenen Gefühle erst kennen und selbst wahrnehmen müssen, bevor wir in der Lage sind, Mitgefühl mit anderen zu haben und unsere Kinder auch erst dann wirklich trösten können. Und da ist so viel Wahres dran!

Ein Umdenken lohnt sich

Ich glaube, viele Eltern müssen im Laufe ihrer Elternschaft erst ein Umdenken lernen und beginnen, ihrem Kind zuzuhören und es genauer zu beobachten und Gefühle zuzulassen. Zumindest war das bei mir der Fall. Ich habe viele Bücher, Blog-Artikel gelesen und Podcasts gehört, um mehr über mich und meine Kinder zu lernen und mich mit bedürfnisorientiertem Familienleben auseinanderzusetzen.

Und nicht immer gelingt mir das besonders gut. Oft genug bin ich müde, schlecht gelaunt, überlastet und mit den Gedanken woanders, sodass ich mich nicht mit den Gefühlen anderer beschäftigen möchte und am liebsten meine Ruhe hätte.

Weinen nervt? Warum ist das so?

Und warum passiert es uns, dass wir Eltern vom Weinen unserer Kinder genervt sind? Denken wir manchmal, dass uns das Weinen aufhält, wenn wir dringend los müssen? Fühlen wir uns durch die Lautstärke der herausbrechenden Emotionen in unserer Ruhe gestört? Oder haben wir vielleicht unterbewusst – oder auch ganz bewusst – das Gefühl, dass das weinende Kind uns durch sein Weinen manipulieren möchte, um doch das zu bekommen, was wir gerade untersagt haben? Weil wir diesen Vorwurf der Manipulation möglicherweise in unserer eigenen Kindheit selbst so oft gehört haben?

Doch wenn wir in einer ruhigen Minute über diesen Vorwurf nachdenken, fallen uns sicher einige Situationen aus unserer eigenen Vergangenheit ein, wo eben das falsch war. Denn häufig wollen Kinder die Eltern überhaupt nicht umstimmen und es reicht ihnen völlig, wenn wir ihnen in ihrem Kummer zuhören und beiseite stehen.

Gefühle zulassen stärkt die Resilienz der Kinder

Mein Kind ist traurig, weil wir nein zu einer Süßigkeit kurz vor dem Abendessen gesagt haben? Begleiten wir das Kind in seiner Trauer um die Süßigkeit und es wird gestärkt daraus hervorgehen und sich seiner Gefühle bewusst sein. Das stärkt ihre Resilienz für das spätere Leben.

Was passiert mit den Kindern, wenn wir ihnen vorschreiben, was sie zu fühlen haben? Was passiert mit einem Kind, das oft genug ein „Ist doch nicht schlimm“ oder „Nix passiert“ hört? Wahrscheinlich wird es lernen, seine wahren Gefühle genau so gut zu verdrängen, wie ein Großteil unserer Generation das getan hat und vielfach immer noch tut.

Doch ist es nicht besser, diesen Kreislauf zu durchbrechen? Oder wollen wir, dass dieses Kind später als Erwachsener seine wahren Gefühle wahrnehmen und zeigen kann und sie seinen Kinder dann wiederum auch vermitteln kann?

— — — — — —

*[Werbung:] Der Text enthält Affiliate Links. Das bedeutet, dass ich eine kleine Provision erhalte, wenn ihr auf einen der mit Sternchen (*) versehenen Links klickt und darüber einkauft. Euch entsteht dadurch kein Nachteil, aber ihr unterstützt damit meine Arbeit.

— — — — — —

Profilbild Jenni Kappes

Sonnenkinderleben.de: Ich bin Jenni und hier findest du mehr über mich.

Folgt mir hier: Facebook, Instagram oder Pinterest, um regelmäßig über meine Beiträge zu bedürfnisorientierten, gleichberechtigten und nachhaltigen Familienleben informiert zu werden.

Ihr könnt meinen Blog auch per RSS abonnieren. Ich freue mich auf euch!

Mein Beitrag hat euch gefallen? Dann teilt ihn gerne hier:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen